21.12.2021 Sybille Gruska
mit Leseempfehlung
Mich erinnert die gestrige Geschichte in unserer digitalen Kirche, in der sich die Tiere unterhalten, was denn wohl das Wichtigste zu Weihnachten wäre, sofort an den Brauch „Lütten Winachten“ und an die berühmte Geschichte von Hans Fallada „Lütten Weihnachten“.
Es geht bei „Lütten Winachten“, dieser kleinen (lütten) Weihnacht also, nicht um die Geschenke für Kinder oder Erwachsene, sondern die Tiere stehen im Mittelpunkt. Sie erhalten zum Fest eine Sonderration Heu, Eicheln oder Kastanien. Vormals meist im Nordosten zu Hause, lebt dieser Brauch bis heute auch in vielen Tiergärten oder Förstereien unserer Region. Kinder bringen dann Eicheln und Kastanien in den Tierpark oder an die Futterraufe im Wald. Auch unter Jägern kennt man diese Sitte. Bei ganz Traditionsbewussten steht sogar im Laufe des 24.12. eine Wanderung in den Wald mit einem Rucksack voller Futter für die Tiere unverrückbar auf der Tagesordnung.
Der Sage nach, sollen die Tiere in der Heiligen Nacht sogar sprechen können; anderswo wird gesagt, Tiere und Menschen verstünden sich gegenseitig in den Raunächten, den Nächten vom 25. Dezember bis zum 6. Januar. Und man braucht nicht allzu viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass die gestrige Geschichte auch an „Lütten Winachten“ stattgefunden haben könnte.
In der Fallada-Geschichte spielt noch eine Rolle, dass „Lütten Weihnachten“ als heidnischer Brauch vom Dorfschullehrer und Pastor nicht gern gesehen wurde und den Dorfkindern am Kap Arkona ziemlich viel Mut und Einfallsreichtum abverlangte, um den Wildgänsen einen Weihnachtsbaum zu bringen. Die ganze Geschichte kann man hier nachhören.
Hans Fallada hat übrigens oft zum Weihnachtsfest seine eigenen Kinder mit einer Geschichte beschenkt, auch als Wiedergutmachung für die Reglementierungen der kindlichen Aktivitäten, weil der Dichter beim Arbeiten strenge Ruhe einforderte. Auch das legendäre Kinderbuch aus DDR-Zeiten „Hirsch Heinrich“ mit den schönen Illustrationen von Werner Klemke greift die Situation der Tiere vor dem Weihnachtsfest auf (Leseprobe).
Wir hatten übrigens „Lütten Winachten“ direkt vor dem Fenster, konnten beim Frühstück beobachten, wie sich ein Eichhörnchen seinen Weihnachtsbraten besorgte. Und wir fragten uns, ob die Meisen den Besuch des fremden Gastes wohl kommentierten – etwa mit den Worten „Du sollst nicht stehlen!!“ – oder ob sie Großzügigkeit walten ließen, weil sie wissen, der Nachschub für sie ist gesichert?